Die Verbindung zwischen Pflanzen und spirituellen Praktiken ist tief in der Menschheitsgeschichte verwurzelt. In den alten keltischen Gesellschaften nahmen Pflanzen, insbesondere der Holunderbaum (Sambucus nigra), eine bedeutende Rolle in der Mythologie ein. Er ist eine von rund 20 weltweiten Holundersorten. In Mittel- und Westeuropa sind zwei weitere Holunder-Arten heimisch, der roten Holunder (Sambucus racemosa) und Zwerg-Holunder (Sambucus ebulus). Letzterer ist allerdings Zierpflanze und in allen Aggregatzuständen ungenießbar.
Holunder gehört botanisch zu den Moschuskrautgewächsen und ist somit mit den Schneeballgewächsen, die in den gemäßigten bis subtropischen Gebieten der Nordhalbkugel als Zierpflanzen in Parkanlagen und Gärten verwendet weren.
Woher stammt der Begriff "Holunder"
Die gängigste Deutung der Herkunft des Wortes bezieht sich auf das altdeutschen Wort Holuntar. Holun umfasst dabei das breite Wortfeld zwischen hohl, heilig, günstig oder auch gnädig während tar einfach Strauch oder Busch bedeutet.
Nach einer anderen Interpretation wurde die Pflanze Altenglischen als "hyldor" bezeichnet, was so viel wie "holz für Zauberstäbe" bedeuten soll. Diese Interpretation ist jedoch jünger als die Zeit er keltischen Hochkulturen, da Zauberstäbe dort meist aus Eibe oder Haselnuss hergestellt wurden. Wahrscheinlicher ist im angelsächsischen Sprachraum eine andere Deutung, nach der englische Name "elder" vom angelsächsischen 'aeld' stammt, was Feuer bedeutet, da die hohlen Stämme als Blasebalg verwendet wurden, um Luft in das Zentrum eines Feuers zu blasen.
Die Figur der Muttergöttin war im gesamten Keltengebiet verbreitet
Welche Bedeutung hatte de Holunderbaum bei den Kelten?
Nach einigen Erzählungen wohnte eine Muttergöttin im Holunderbaum , die ihre Gaben den Menschen in Form von Blüten, Holz und Beeren gibt. Da Muttergöttinnen unter der Vielzahl von lokalen Gottheiten auch überregional stets eine Rolle spielten, ist diese Deutung durchaus denkbar. Das Märchen von Frau Holle setzt eine solche Gottheit (Holda) - wenn auch in einem leicht entfremdeten Kontext - in Szene. Holda oder je nach gebiet auch Freya oder andere mitteleuropäische und skandinavische Göttinnen wurde dementsprechend eine klare Verbindung zum Holunderbaum zugeschreiben. Grundsätzlich war das Mystifizieren und Vergöttlichen bei den keltischen Naturreligionen weit verbreitet: Nahezu jedem Berg und jedem Fluss, jeder Quelle und jedem Sumpf, jedem baum und Felsvorsprung wurde eine eigene Gottheit zugeschrieben.
Ein einheitliches Verständnis davon, wer genau in diesem Baum wohnte, hat bei den keltischen Druiden wahrscheinlich nicht vorgelegen. Beispielsweise wurde in vielen Teilen des keltischen Verbreitungsgebiet der Baum als "Feenbaum" bezeichnet, der allerdings auch von bösen Geistern beseelt sein konnte.
War der Holunder eine druidische Ritualpflanze?
Es gibt keine Überlieferungen wonach Holunder, in welcher Form auch immer verarbeitet, Teil druidischer Rituale war. Da die Pflanze, anders als z.B. Bilsenkraut, keinerlei halluzigene Wirkung hat, sondern in Rohform lediglich zu starken Verdauungsproblemen führt, ist dies auch unwahrscheinlich. Die Verwendung als Heilpflanze kann jedoch vorausgesetzt werden, sodass die Pflanze auch Teil des mündlich übergebenen Wissensschatz von Novizen, Barden und Druiden war.
Ebenfalls eine Rolle durch den sogenannten Baumkalender der Kelten ist nicht belegt. Der Holunderbaum (Sambucus nigra) ist hier mit dem Zeitraum vom 25. November bis 23. Dezember assoziiert. Der Holunder ist in dieser Zeitperiode der dominierende Baum und wird mit bestimmten Eigenschaften und Bedeutungen wie Transformation, Schutz und Heilung in Verbindung gebracht. Es ist wichtig zu beachten, dass der moderne keltische Baumkalender eine kreative und esoterische Interpretation der keltischen Kultur ist und in der heutigen Zeit von Menschen genutzt wird, die an spirituellen und astrologischen Traditionen interessiert sind. Es hat jedoch keine historische Grundlage im Sinne einer kulturellen Praxis der Kelten oder Druiden.
Der moderne keltische Baumkalender ist eine kreative und esoterische Interpretation der keltischen Kultur und hat keine historische Grundlage
Ludwig Clamor Marquart erforschte als erstes auffällige blaue Farben bei Pflanzen
Zusammensetzung und Heilwirkung des Holunders
Warum sind Holunderbeeren violett?
Für die Farbgebung der Beeren ist eine außergewöhnlich hohe Konzentration an Anthocyanen verantwortlich. Hierbei handelt es sich um sekundäre Pflanzenstoffe, die blaue, violette oder rote Färbung bei Gemüsearten und Früchten hervorruft. Urspünglich kommt der Begriff aus dem griechischen, wo anthos Blüte und kyanos blau bedeutet.
Die Wirkung von Anthocyanen
Bei der Pflanze selbst dienen Anthocyane unter anderem dem Schutz der Pflanze vor schädlichen UV-Strahlen, der Anziehung von Bestäubern und der Abschreckung von Pflanzenfressern. Aber auch für den Menschen sind diese Stoffe nützlich. Anthocyane gelten als entzündungs- und mutationshemmend, und beugen demensprechend herz-Kreislaufkrankheiten, Krebs oder sogar Alzheimer vor. Die Ausprägung des Anthocyane beim Holunder ist das Cyanidin-3-O-Glycosid.
Holunder hat besonders hohe Menge an Anthocyanen, die insbesondere den Beeren das tiefe Blau - Schwarz verleihen
Welche weiteren Wirkstoffe sind im Holunder enthalten?
Vor diesem Hintergrund erklärt sich das Sprichwort: Ein Holunder im Garten ist so wertvoll wie eine ganze Apotheke. In der Tat beinhaltet die Pflanze weitere verschiedene wertvolle Inhaltsstoffe, die der Gesundheit akut und auch präventiv zuträglich sind, hierzu gehören insbesondere:
- Ätherische Öle - Diese werden meistens aus den Kernen gepresst. Das kaltgepresste Öl kann in der Küche, aber auch als Massageöl oder Kosmetikprodukt eingesetzt werden. Öl aus den Beeren wird nur aus dem roten Holunder (Sambucus racemosa) gewonnen.
- Gerbstoffe - Auch Gerbstoffen werden krebshemmende Eigenschaften zugeschreiben. Genutzt wird es auch bei der Behandlung von Durchfallkrankheiten: Die Stoffe "gerben" den Darmtrakt und verhindern so das Ausbreiten von Viren und Bakterien.
- Kaliumsalze - diese Salzform unterstützt den Körper, überschüssiges Salz abzubauen und hilft damit, den Blutdruck zu senken. Dies kann von Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugten.
- Vitamine C, A, B1, B2 und B12 (Folsäure) - Diese verschiedenen Vitamine tragen zu einem normalen Energiestoffwechsel und Funktion des Immunsystems bei. Zudem können sie bei Verminderung von Müdigkeit helfen.
Zu was kann man Holunder verarbeiten?
Im unbehandelten Zustand sind zunächst alle Planzenteile giftig. Dies liegt am Sambunigrin, einem chemischen Stoff, der eigens nach der schwarzen Holunderpflanze (Sambucus nigra) benannt ist - obwohl der rote Holunder eigentlich mehr dieses Stoffes enthält. In Verbindung mit Wasser spaltet sich hier Blausäure ab, die zu Übelkeit und Erbrechen führen kann. Unter Hitze zersetzt sich dieser Stoff jedoch in ungefährliche Bestandteile, daher ist bei alle genießbaren Holunderprodukte das Erhitzen und Kochen Teil des Entstehungsprozesses.
Neben dem weiter oben erwähnten Öl aus Holundersamen können insbesondere Blüten und Beeren zu folgenden Dingen verarbeitet werden:
- Holunderbeerensaft - hier werden die Beeren ausgekocht und ausgepresst. Zum Teil wird auch noch Zitronen- oder Apfelsaft hinzugegeben. Die Beere selbst hat einen leicht herb-bitteren Geschmack, was durch Stiele und unreife Beeren im Sud noch verstärkt werden kann
- Holundergelee - hier werden ebenfalls die Beeren ausgekocht und der Sud später mit Zucker angereichert
- Holunderwein - nach dem Auskochen de Beeren wird der Sud mit Zucker versehen und mit Pfefferkörnern, Pimentkörnern oder auch Nelken gewürzt. Nach Hinzugeben von Hefe wird der Sud ein bis zwei Tage stehengelassen und beizeiten umgerührt. Dann wird die Flüssigkeit in luftdichte Flaschen für eine dreimonatige Reifezeit gefüllt.
- Holunderblütensirup - hier ist das Verfahren ähnlich wie beim Holunderbeerensaft, wobei hier die Blüten und eine gute Prise Zucker verwendet werden. Mit der richtigen Menge Zitronen, Zucker und Wärme über Zeit kann so auch Holundersekt hergestellte werden.
Daneben kann Holunder noch als Arma für Essig, Likör oder Backwaren verwendet werden.
Holunder und Zitrone werden gerne in Kombination verwendet
Mit der Christianisierung der keltischen Gebiete verschwand auch die mythische Verehrung des Holunderbaums
Jüngere Mythologie um den Holunderbaum
Da der Holunder leicht und schnell wächst, oft aus von Vögeln abgeworfenen Samen, galt er als Symbol für Regeneration. Denn ähnlich wie der Hopfen zieht sich die Pflanze im Winter derart zurück, dass sie einem abgestorbenem Baum gleicht, kommt aber in voller Stärke im Frühjahr wieder zurück.
Die Bewunderung für diese Gabe, aber auch seine Heilkraft und - möglicherweise - die mythologische Fracht, die der Baum aus der zeit der keltischen und germanischen Hochkulturen mitbringt, hat der pflanze bis in das 19. Jahrhundert hinein eine spezielle Rolle verschafft.
So galt lange, dass nach Möglichkeit ein Holunder am Haus nicht gefällt oder beschädigt wurde. Einige Überlieferungen aus dem 17. und 18. Jahrhundert berichten von dem Glauben, dass Krankheit und Tod die Folgen seien. In der damaligen Zeit baten die Menschen den Baum bzw. einen darin weilenden Geist, oder auch noch eine Muttergöttin um Verzeihung, bevor sie den Holunderbaum fällten. Diese Aufgabe durften auch nur Witwen und Kindern durchführen. Eine alte Bauernweisheit besagt: Willst du aus dem Leben scheiden, tue den Holunder schneiden.
Durch Säkularisierung und Industrialisierung der Lebensmittelindustrie verschwand auch viel von der Mythologie und Präsenz des Holunders in Küchen und Köpfen der Menschen. Die relativ komplizierte Verarbeitung aber auch insbesondere der nicht massentaugliche Geschmack der Beeren haben dazu geführt, dass er sich nicht wie beispielsweise das Kulturobst Apfel oder Birne als verbreiteter Saft durchsetzen konnte. Ein weiter Nachteil hat die Herstellung von Holundersaft im Besonderen: Flecken sind nur sehr schwierig aus Oberflächen und Stoffen zu entfernen. Vielleicht ein weiterer Grund, weshalb die Beeren im Vergleich zu früher so stark in Vergessenheit gerieten. Durch Modegetränke wie den Hugo aber auch andere Cocktails gewinnt der Blütensirup jedoch immer weiter an Bedeutung - eventuell wird hier auch die Beere bald als Zutat (wieder)entdeckt.