Ungefähr 40 Tage vor Ostern – und oft schon in den Wochen zuvor – beginnt der Fastnachtsrummel in vielen Städten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. Oft mit der christilichen Fastenzeit in Verbindung gebracht, hat Fastnacht allerdings historische Wurzeln, die bis in die vorchristliche Zeit zurückreichen.
Viele Bräuche lassen sich mit den Festen der Kelten und anderen vorchristlichen Völkern in Verbindung bringen, die große Teile Europas bewohnten. Im keltischen Kontext ist Imbolc, ein Frühlingsfest, das für Fruchtbarkeit und Neubeginn stand, ist eine Art Urahn der heutigen Fastnacht.
Masken, Feuer und lautes Treiben spielten bei diesen Festen eine wichtige Rolle – Geister sollten vertrieben, die Natur geweckt und die Götter besänftigt werden. Auch heute erkennt man in der Fastnacht einige dieser alten Traditionen wieder:
Das Tragen von Masken, das Vertreiben des Winters und die lauten Umzüge erinnern an die keltischen Rituale. Zwar wurden diese Bräuche über Jahrhunderte stark verändert und mit christlichen Traditionen vermischt, doch die Verbindung zur Natur und die Freude am Übergang von Winter zu Frühling ist bis heute spürbar.
Fastnacht, Fasching oder Karneval – Was ist eigentlich der Unterschied?
Fastnacht, Karneval und Fasching werden oft synonym verwendet, haben aber regionale und historische Unterschiede.
- Karneval ist ein Begriff, der vor allem im Rheinland und in großen Städten wie Köln oder Düsseldorf verwendet wird. Er steht für die ausgelassenen Feiern mit Umzügen, Prunksitzungen und Straßenkarneval. Ein Prototyp war hier das römische Fest der Lupercalien (im Februar). Diese waren geprägt von ausgelassenen Feiern, Verkleidungen, Masken und dem Umkehren sozialer Normen – Aspekte, die auch im heutigen Karneval eine Rolle spielen. Ab dem Mittelalter und insbesondere ab dem Vormärz wurden auch Gesellschaftskritik und politischen Satire wichtiger, oft als Zeichen der Eigenständigkeit und Abgrenzung der großen Städte wie Köln, Düsseldorf oder Trier.
- Fasching Der Begriff „Fasching“ stammt vermutlich vom mittelhochdeutschen „vaschanc“ oder „vaschung“, was so viel wie „Fasten“ bedeutet, und ist damit ebenfalls mit dem Fasten verbunden. Er ist vor allem in den südlichen Gebieten Deutschlands (Bayern, Franken) und in Österreich verbreitet. Die dortige Tradition hat oft einen eher dörflichen Charakter, was sich in kleineren, weniger zentralisierten und eher apolitschen Festen zeigt, die stark auf lokale Bräuche und Gemeinschaftspflege am Ende des Winters ausgerichtet sind.
- Fastnacht wird eher in Süddeutschland, der Schweiz und Teilen Österreichs gefeiert. Hier stehen oft traditionelle Bräuche wie Maskenspiele oder das Austreiben von Wintergeistern im Vordergrund. In Regionen wie der Schweiz (insbesondere Basel und Luzern) und Süddeutschland (z.B. in der Region um Freiburg) stand die Fastnacht mehr im Zeichen eines ritualisierten Übertritts von Winter zu Frühling oder von der Feierlichkeit zur Askese. Aufgrund des erhöhten Vorkommens in ehemals alemannischen aber auch helvetischen Gebieten können hier eine Parallelen zum keltischen Frühlingsfest Imboc gezogen werden.
Das moderne Gesicht von Fastnacht
Fastnacht verarbeitet nutzt heute moderne Themen und Instrumente – wie hier das Thema Piraten einer Gruppe auf dem Monsterkorso von Luzern. Die Fastnacht war in ihren Ursprüngen tendenziell unpolitisch
Was ist eigentlich die Fastenzeit?
Die christliche Fastenzeit hat ihren Ursprung in der Bibel und der frühen Kirche. Sie ist eine 40-tägige Vorbereitungszeit auf Ostern, das wichtigste Fest im Christentum, das die Auferstehung Jesu feiert. Die Zahl 40 hat in der Bibel eine besondere Bedeutung: Sie steht für Prüfungs- und Reinigungszeiten, wie die 40 Tage, die Jesus fastend in der Wüste verbrachte, oder die 40 Jahre, die das Volk Israel in der Wüste wanderte.
Kulturantropologisch kann die Fastenzeit auch nüchterner betrachtet werden: In vielen agrarischen Gesellschaften, auch im Nahen Osten, aus dem das Christentum stammt, war der Spätwinter eine Zeit, in der die Vorräte zur Neige gingen und neue Ernten noch nicht in Sicht waren. Eine Phase des Fastens würde hier - wie auch in den Ländern Europas - Sinn ergeben, um die verbleibenden Lebensmittel bis zur nächsten Ernte zu strecken.
Die Evolution der Frühlingsfeste – Unter Beteiligung des Christentums
Mit der Christianisierung Europas wurden, ähnlich wie der Weihnachten, heidnische Feste in den christlichen Kalender integriert und um- bzw. überschrieben. Gleiches galt für die mitteleuropäischen Frühlingsfeste und -rituale. Die Verknüpfung mit einer liturgisch vorgeschriebenen Fastenzeit bot sich dabei an, um närrischen Treiben und anderen Bräuchen eine Rechtfertigung und gleichzeitig einen religiösen Anstrich zu geben.
Dass die Begriffe Karneval, Fasching und Fastnacht alle auf eine Form des Begriffes Fasten zurückzuführen sind, spricht für den Erfolg der Idee. Unter den keltischen Stämmen kann das Fest Imbolc als eine Protoform von Fastnacht gesehen werden, die heutige Bräuche noch beeinflusst.
Imboc war ein Fest, das das Ende der dunklen Zeit einläuten sollte

Unter anderem Tertullian (etwa 160–220 n. Chr.) erwähnt keltische Feste in seinen Schriften

Imbolc als keltische Institution im Kalenderjahr
Imbolc wurde traditionell um den 1. Februar gefeiert und markiert den Übergang von Winter zu Frühling – ein Fest, das eng mit der Erneuerung der Natur und der Lichtwerdung verbunden ist. Imbolc hat viele Bräuche und Rituale hervorgebracht, die auch in späteren christlichen Traditionen, wie dem Fest Mariä Lichtmess, aufgegangen sind, und einige dieser alten Bräuche finden sich noch heute in den Feierlichkeiten der Fastnacht und anderer Faschingsbräuche.
Viele Informationen über Imbolc aus römischen und christlichen Quellen stammen, die später die keltischen Praktiken dokumentierten, oft unter dem Blickwinkel der Christianisierung. Aber auch Irische Legenden und gälische Erzählungen sind heute die wichtigsten Quellen, um das Brauchtum rund um Imbolc nachzuvollziehen. Der Name „Imbolc“ wird traditionell mit „imbolg“ (irisch für „im Bauch“ oder „im Uterus“) in Verbindung gebracht und bezieht sich auf das Thema der Fruchtbarkeit und der Geburt.
Imbolc als Verehrungsfest für Birgid?
Brigid gilt oftmals als zentrale Figur von Imbolc und spielt eine herausragende Rolle in den Erzählungen vor allem irischer keltischen Mythen. Sie ist die Göttin des Feuers, der Fruchtbarkeit sowie der Heil- und Dichtkunst.
In Mitteleuropa allerdings, insbesondere in den Regionen Schwaben, Baden-Württemberg und der Schweiz gab es zwar ebenfalls keltische Stämme, die möglicherweise eine Göttin mit ähnlichen Aspekten wie Brigid verehrten. In den Überlieferungen und archäologischen Funden dieser Gebiete ist allerdings kein klarer Beweis zu finden. Hier gibt es lediglich Hinweise auf Feuer- und Fruchtbarkeitskulte, die ähnliche Themen behandeln.
Mit dem Aufkommen der Romantik wurde die Figur Birgid allerdings auch in Mitteleuropa mit dem Frühlingsfest Imboc, Erwachen der Natur und Rückbesinnung in Verbindung gebracht. Historisch ist diese Einordnung aber nicht haltbar.

Bräuche und Riten des keltischen Imbolc
Imbolc war ein Fest der Reinigung und Erneuerung. Feuer und Wasser spielten dabei eine zentrale Rolle. Häuser, Kleidung und Werkzeuge wurden gründlich gereinigt, um symbolisch Platz für Neues zu schaffen. Quellen und Brunnen, wurden verehrt und Die Menschen brachten Opfergaben wie Münzen oder Stoffstücke, an die Bäume in der Nähe dieser heiligen Orte, um Schutz und Heilung zu erbitten.
Feuer war ein wichtiges Symbol dieses Festes, um das zunehmende Licht der Sonne zu feiern und die Dunkelheit des Winters zu vertreiben. Diese Feuerzeremonien dienten nicht nur dazu, die Rückkehr des Lichts zu ehren, sondern auch, um die spirituelle Verbindung mit der Natur zu stärken.
Archäologische Funde deuten auch darauf hin, dass Tieropfer ebenfalls eine Rolle spielten. Besonders Schafe und Rinder wurden zu Frühlingsbeginn geopfert. Die Knochenreste dieser Tiere, die oft in Gruben oder Brunnen gefunden wurden, könnten als Opfergaben an Fruchtbarkeitsgöttinnen gewesen sein, oder
Teil eines druidischen Weißsagungsritual.

Masken in Fastnach und Karneval
Masken hatten in keltischen Bräuchen allgemein eine Bedeutung, insbesondere in Ritualen, die mit Verwandlung, Naturgeistern und Ahnenverehrung zusammenhängen. Und auch In der heutigen Fastnacht, spielen Masken eine große Rolle.
Diese könnten theoretisch auf ältere keltische Bräuche zurückgehen, in denen Masken dazu dienten, den Winter auszutreiben oder Schutz vor Geistern zu erlangen. Denn anders als im Karneval, bei dem eine Maske auch ein Schutz davor waren, beim Abweichen von gesellschaftlichen Normen erkannt zu werden, dienten die Masken bei keltischen Geisterritualen dazu, nicht von Geisern erkannt zu werden.
Gerade beim Austreiben der Wintergeister hoffte man sich so vor Rache aus der Geisterwelt zu schützen.
Tschäggättä – eine der wahrscheinlich ursprünglichsten Formen der Fastnacht
Eine besondere Form der Fastnacht findet sich im Lötschental im Oberwallis. Die Tschäggättä sind traditionelle Maskenfiguren, die zwischen Lichtmess (2. Februar) und Fastnacht in zotteligen Fellgewändern und furchterregenden Holzmasken durch die Dörfer ziehen. Ihre Ursprünge sind unklar, doch ihr wilder Auftritt erinnert an vorchristliche Winteraustreibungsriten. Die zeitliche Nähe zu zum keltischen Imbolc ist auffällig, auch wenn der direkte Bezug – zumindest wissenschaftlich – nie ganz hergestellt werden kann.
Eine dortige regionale Legende erzählt auch von den Schurtendieben, ausgestoßenen Räubern, die sich in den Bergen versteckten – manchmal wird spekuliert, dass dies auf einen keltischen Widerstand gegen die einwandernden Alemannen zurückgeht. Tatsächlich war das Wallis der Teil der Schweiz, der am längsten von keltischen Stämmen besiedelt wurde. Nach der römischen Herrschaft siedelten sich ab dem 5. Jahrhundert die Burgunder im Unterwallis an, während sich das Oberwallis ab dem 8. Jahrhundert zunehmend alemannisierte. Den Feierlichkeiten zur Fastnachtszeit hat dies aber kein Abbruch getan. Bis heute.
