Unser Weihnachten hat Wurzeln im heidnischen Fest Yule. Entgegen mancher Annahme ist Yule allerdings kein keltisches sondern ein germanisches fest. Druiden waren den Germanen kein Begriff, dieser Eindruck stammt von einer romantischen Verklärung des Neopaganismus aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Dennoch lohnt sich ein Blick auf die alten Traditionen, die unser heutiges Weihnachten nachhaltig geprägt haben – und die uns jedes Jahr neu aber doch unscheinbar begegnen.
Das germanische Jahr und das Nichts als Beginn von Allem
Anders als die Völker des Mittelmeers, unterteilten Germanen das Jahr nicht in vier, sondern in drei Jahreszeiten: Die dunkle Zeit, die grob von November bis in den April reichte, die Sommerzeit circa von Mai bis September und die Übergangszeit im September und Oktober. Dabei orientierten sie sich weniger an der Astronomie sondern an Erntezyklen. Diese Jahreszeiten waren landwirtschaftlich als auch politisch und juristisch wichtig und an ihnen wurden wichtige Versammlungen und Gerichtsprozesse ausgerichtet. Bis ins 15. Jahrhundert hinein wurden noch immer Gesetze und Steuern nach dieser Zeitrechnung in Mitteleuropa erhoben.
Das germanische Jahr begann mit dem Nichts – und entwickelte sich von der Blüte bis zur Ernte
Das germanische als auch das keltische Jahr startet mit Dunkelheit und Leere. Es ist eine konsequente Einschätzung alter Völker – so wie es auch die Bibel schreibt – dass erst Nichts sein muss, bevor etwas entstehen kann. Dieser Zeitpunkt des Nichts verortet sich bei Kelten und Germanen nach der Ernte und somit begann das Jahr mit dem Winterfest, das zum Teil am 1. November als keltisches Samhain (später in christianisierter Form Allerheiligen) oder um den 11.November (später in christianisierter Form Sankt Martin) lag.
Wie bei allen Festen der Dunklen Jahreszeit wurden zum Winterfest Feuer entzündet und Gaben gebracht. Die Laternenumzüge, die noch heute in weiten Teilen Europas zu diesem Zeitpunkt stattfinden, sind ein Relikt alter keltischer und germanischer Traditionen.
Die Wintersonnenwende als Wiedergeburt eines Zyklus
In diesem Nichts des Jahresanfangs begann der Zyklus des Lichts mit der Wintersonnendwende, deren Datum heute fest auf den 23. Dezember liegt. Die germanischen Geistlichen, konnten die Himmelskörper soweit lesen, dass sie hier ein einschneidendes astronomisches Ereignis erkannten, das sie mit der Rückkehr des Lichts verbanden.
Zum Fest der Wintersonnenwende, je nach Überlieferung Jul, Jule oder Yule genannt, wurden bereits im Vorfeld Häuser mit Fackeln oder Kerzen erleuchtet, um Hoffnung und den Triumph des Lichts über die Dunkelheit zu symbolisieren.
Gleichzeitig wurden immergrüne Pflanzen, vor allem Zweige von Stechpalmen und Tannen, Efeu und Mistel als temporärer Schmuck in die Wohnstätte integriert, um Leben und Widerstandskraft in der dunklen Zeit zu symbolisieren.
Die 12 Nächte des Yule Festes und ihre Bedeutung
Die zwölf Tage des Yule Fests
Ein Yulfest dauerte zwölf Nächte, woraus sich dann die traditionellen 12 Weihnachtstage bildeten, die im christlichen Kalender den Zeitraum vom 25.Dezember (ersten Weinachtsfeiertag) bis zum 6.Januar (Epiphanie, heilige drei Könige) umspannen. Üppige Festmahle brachten Gemeinschaften zusammen und boten Trost und Nahrung in der dunklen Jahreszeit.
Gleichzeitig wurde die Zeit für Orakel und Vorhersagen genutzt. Auch wenn die Germanen das Jahr in drei Jahreszeiten einteilten, waren ihnen die 12 Mondphasen des Jahres bekannt uns so repräsentierte jede Nacht symbolisch einen Monat des neuen Jahres. Zu den Orakeln gehörten auch das Lesen von Wachstropfen oder das Bleigießen, wie es noch heute an Sylvester praktiziert wird.
Während der 12 Tage des Yulfests wurde von den Priestern jeden Tag eine Mondphase des neuen Jahres vorhergesagt
Die Traditionen und Rituale der Raunächte
Diese Zeit, die je nach Autor und Region auch Raunächte genannt wurde, war von tiefer Spiritualität und Respekt vor Natur- und Geisterwelt durchzogen.
Einigen Quellen zufolge stammt das Wort Raunächte vom Räuchern, da Häuser und Ställe durch das Räuchern mit Kräutern (z. B. Beifuß, Salbei) und später Weihrauch gereinigt und vor bösen Geistern geschützt. Das Räuchern diente auch dazu, die Ahnen zu ehren und eine Verbindung zur spirituellen Welt herzustellen. Zudem waren noch lange bis in die Neuzeit viele Tätigkeiten, besonders Wäschewaschen, Spinnen oder Nähen, in den Rauhnächten verboten, da man glaubte, dass sie Geister anziehen oder das Unglück herbeirufen könnte.
Die Überschreibung heidnischer Traditionen durch Christianisierung und Romantik
Das Christentum und die die Einführung von Weihnachten
Mit der Christianisierung des römischen Reiches begannen auch die Verdrängungen und Überschreibungen heidnischer Feste. Unter Anderem mit dem Argument Jesus sei das „Licht der Welt“ (Johannes 8:12) wurde die Geburt Jesu und die damit verbundenen Feierlichkeiten in die Zeit der Wintersonnenwende gelegt.
Dies war nicht nur nützlich um germanische Traditionen zu überschreiben, sondern auch eine innenpolitische Maßnahme, denn bis zu dieser Zeit wurde auch im Römischen Reich um die Wintersonnenwende das Fest des Sonnengottes Sol Invictus gefeiert.
Die Orthodoxe Kirche wiederum wählte das Ende der 12-Tägigen Periode der heidnischen Feste um die Geburt und Taufe Jesu zu feiern. Daher zelebrieren diese Zweige des Christentums noch heute Weihnachten am 6. Januar.
Ist das Schenken zu Weihnachten auch eine alte heidnische Tradition?
Auch wenn es durchaus üblich war an Yule seiner Familie als Dank und Anerkennung kleine Aufmerksamkeiten zu schenken, stammt diese heute gelebte Tradition nicht von den heidnischen Völkern Mittel- und Westeuropas.
Erst ab dem Mittelalter (ca. 11.–13. Jahrhundert) war es in Europa zunächst üblich, Kindern und Bedürftigen am Nikolaustag kleine Geschenke oder Lebensmittel zu überreichen. Diese Geschenke waren oft einfach Nüsse, Äpfel, Lebkuchen oder kleine Münzen. Die Verlegung auf den 25. Dezember stammt dabei aus der Reformation, in der die Verehrung von Heiligen wie Nikolaus in protestantischen Regionen teilweise abgeschafft oder reduziert wurde. Stattdessen sollten Geschenke zu Weihnachten direkt mit der Geburt Christi verbunden sein.
Schlussendlich gewann das Schenken im 18. und 19 Jahrhundert – und insbesondere während der viktorianischen Ära in England und durch den Einfluss von Schriftstellern wie Charles Dickens (z. B. A Christmas Carol, 1843) – an Bedeutung und wurde mit Nächstenliebe und Großzügigkeit verknüpft. Die weltweite Verbreitung von Weihnachten mit Elementen der Popkultur wie dem Weihnachtsmann und Weihnachtsmärkten wie wie sie heute kennen festigte sich dann im 20.Jahrhundert. Von den heidnischen Wurzeln bleiben aber dennoch einige Relikte wie der Weihnachtsbaum, der Mistelzweig oder das Bleigießen – auch wenn nur noch wenige ihre eigentlichen Ursprünge kennen
Die Versuche der Wiederbelebung Druidischer Traditionen
Das Yule-Fest war eine ursprünglich ein germanisches Wintersonnenwendfest und wird heute oft fälschlicherweise mit den Kelten und ihren Druiden in Verbindung gebracht. Historisch feierten die Kelten keine Wintersonnenwende, sondern orientierten sich an vier Hauptfesten wie Samhain oder Imbolc, die landwirtschaftliche Zyklen markierten.
Die Verbindung von Druiden und Yule entstand erst in der Romantik, ca. Mitte des 18. bis 19. Jahrhunderts. Dies wurde durch den Neopaganismus verstärkt, einer Strömung die Naturverbundenheit und Ursprünglichkeit suchte und es mit historischer Akkuratheit oft nicht zu genau nahm. Dort wurde Yule als eines der acht Feste im „Jahreskreis“ eingeführt.
Diese moderne Interpretation vermischt allerdings germanische und keltische Traditionen und entbehrt historischer Grundlage. Tatsächlich war Yule ein rein germanisches Fest, das mit Feuer, Opfergaben und der Rückkehr des Lichts gefeiert wurde – ein Ursprung vieler heutiger Weihnachtsbräuche.