Warum wilder Schnittlauch nur eine untergeordnete Rolle spielt
Weniger starke Wirkung als andere Laucharten, schwierig zu lagern und irgendwie ganzjährig erhältlich. Seltenheitswert hat die Pflanze nicht. Ähnlich wie Brennnessel, Efeu oder Löwenzahn ist wilder Schnittlauch mit Leichtigkeit in der einheimischen Natur zu finden. Aber wirklich gezielt losziehen, um wildes Schnittlauch zu ernten, das macht kaum jemand.
Sicherlich haben warnende Aussagen über Parasiten wie den Fuchsbandwurm zur allgemeinen Angst beigetragen und auch das Gerücht, die wilde Variante des Schnittlauch sei giftig, hält sich noch immer erstaunlich konstant in den Köpfen der Menschen. Das ist schade und paradox, denn der wilde Schnittlauch ist nicht nur gesund und finanziell günstig zu erlangen, sondern beinhaltet auch mehr Aroma und stäkere Wirkstoffe als die kultivierte Pflanze.
Schnittlauch – Der kleinste Bruder unter den Lauchkräutern
In Supermärken kann nahezu das ganze Jahr Schnittlauch in kleinen Töpfen gekauft werden. Die Pflanze im Plastikkübel wächst nach, kann je nach Pflegeaufwand und Qualität einige Male geerntet werden und vertrocknet früher oder später oft auf den Fensterbänken unserer Küchen. Auch im Bund ist es erhältlich und ist selbstverständlicher, fester Bestandteil der einheimischen Kräuterküche.
Was ist Schnittlauch?
Schnittlauch, Graslauch oder Binsenlauch liegt botanisch irgendwo zwischen Knoblauch auf der einen, und anderen Zwiebelpflanzen wie Narzissen oder Tulpen auf der anderen Seite. Lange wurde es nicht als echtes Lauchgewächs betrachtet, sondern wurde der Familie der Liliengewächse zugeordnet (Liliaceae).
Zwar handelt es sich um ein Lilienartiges Gewächs (Liliidea), in der zwischenzeit wird es aber wiederum den Narzissengewächsen als eine Unterart der Spargelgewchse zugeordnet.
Das Kraut bildet eine dünne Zwiebel und ist eine hortbildende Pflanze. Die Halme sind röhrenartig und laufen spitz zu, dabei werden sie bis zu 40cm lang. Wilder Schnittlauch ist sehr robust und zäher als die kultuviere Version, weshalb die Halme ein satteres grün auch unter erschwerten klimatischen Bedingungen aufweisen. Die Blüte ist violett, 6zählig und in einem doldigen oder kugeligen Blütenstand angeordnet, der an der Spitze der Halme thront.
„O letztes Leben und wie das Leben auch
Verkannt, du Anbot wahrster Bescheidenheit,
Du selbstgenügsam stille Pflanze,
Die nur wie Schnittlauch schmeckt und duftet.“
Nach etwas suchend, welches kein andres ist,
Im Kreis des Lebens, das im Ersatz sich lebt,
Bloß deine gute Gabe sah ich,
Chemischem Zauber unerreichbar“
Karl Kraus: An den Schnittlauch, 1916 (Ausschnitt)
Wo findet man Schnittlauch?
Wilder Schnittlauch hat sich mittlerweile auf der gesamten Nordhalbkugel eingebürgert. Ursprünglich stammt er aus Asien und Marco Polo wird zugeschrieben die ersten Pflanzen im 13. Jahrhundert von einer Chinareisenach Europa gepracht zu haben.
Wegen seiner Robustheit ist er bei milden Wintern sogar ganzjährig anzutreffen. Ideale Erntezeit ist aber Januar bis Mai, kurz vor der Blütezeit, denn Blüten entziehen Pflanzen meistens Kraft und Saft und lassen Teile verholzen oder austrocknen.
Der wilde Schnittlauch fühlt sich in lockeren, steinigen und kalkreichen Boden wohl. Aber auch in Flachmooren, feuchten Wiesen, Streuwiesen und Bachufern ist er anzutreffen. Dabei sollte der Ort halbschattig bis sonnig sein.
Hat wilder Schnittlauch Heilwirkung?
Direkt als Heilpflanze ist der wilde Schnittlauch nur selten erwähnt. Vielmehr wird und wurde er als Gewürzkraut geschätzt. Das liegt wahrscheinlich daran, dass Wirkung und Wirkstoffe zwar ähnlich dem Knoblauch und Bärlauch sind, die Intensität jedoch wesentlich geringer ausfällt. Außerdem verliert Schnittlauch Wirkung und Aroma beim Trocknen, da vielen Wirkstoffe an Öle gebunden sind.
Ähnlich wie seine Verwanden Laucharten wirkt Schnittlauch appetitanregend und verdauungsfördernd und hat eine blutdruck- und cholesterinsenkende Wirkung. Die Verdauungsfördernde Wirkung ist dabei die historisch am intensivsten genutzte. Auch das Immunsystem wird gestärkt.
Wie wirkt Schnittlauch?
Schnittlauch enthält Lauchöle, das sind im Prinzip Schwefelhaltige Arminosäuren. Man erkennt sie an der Endung –sulfid, wie in Dipropyldisulfid, Methylpentyldisulfid und Pentylhydrosulfid. Diese haben antibiotische, fungizide, vermizide und insektizide wirkung – sind also aggressiv bis tödlich für diverse Mikrolebensformen. Einer der Hauptbestandteile in der Wirkung ist in diesem Zusammenhang, ähnlich wie bei Knoblauch oder Bärlauch, Allicin.
Insbesondere der wilde Schittlauch enthält zusätzlich die Vitamine A, B2 und C. Vitamin A stärkt vor allem Schleimhäute und dadurch die körpereigenen Abwehrkräfte. Auch Blutkörperchen und das Nervensystem werden unterstützt. Vitamin B2 wird bei der Umwandlung von Traubenzucker oder Fetten in Energie benötigt und wiederum Vitamin C wird benötigt um Bindegewebe aufzubauen und als Antioxidant gegen freie Radikale.
Keine Magie, nur ein paar Anektoden
Zwar wird dem Schnittlauch keine magische oder religiöse Wirkung zugesprochen, dennoch spielt es in vielen Kulturen eine wichtige Rolle. In Sibirien und Teilen Zentralasiens wird ihm eine aphrodisierende Wirkung zugesprochen; Alexander der Große soll als Hochzeitsgeschenk von Sibirischen Stammeshäuptlingen vor diesem Hintergrund Schnittlauchpflanzen geschenkt worden sein.
In jedem Falle bleibt das Schnittlauch, gerade im Kontrast zu den anderen Lauch- und Zwiebelpflanzen, eher ein Schattendasein. Dennoch eine sammelnswerte Pflanze.